Michael und Petra Albers streiten sich gerne – und vertragen sich aber genauso schnell. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, selbst wenn die Kinder anwesend sind. Ist Streit also wichtig und richtig in der Familie?

streit - eltern streiten vor kindern„Überfordern wir die Kinder nicht?“

Manchmal ist der Streit schon heftig, und Petra Albers beobachtet, wie die Kinder mit einer Mischung aus Verwunderung und Verunsicherung den Auseinandersetzungen folgen. „Ich denke mir schon“, so der Vater mit nachdenklicher Miene, „ob wir die Kinder nicht überfordern.“

Sie meine schon, so die Mutter, dass man sich vor Kindern streiten dürfe. Streit gehöre schließlich zum Leben. „Aber die Versöhnung ist genauso wichtig!“ Seine Frau habe schon recht, ergänzt Michael Albers, aber manchmal könne man ja damit auch mal warten, bis die Kinder im Bett sind.

Streit in der Familie gehört zum Alltag – Versöhnung auch

Streit gehört zum Alltag in einer Familie. Deshalb zählt auch eine Streitkultur, zählen Streitrituale zu einem zwischenmenschlichen Miteinander, das von gegenseitiger Achtung und beiderseitigem Respekt geprägt ist. Kinder können von Eltern lernen, wie man sich streitet, ohne sich psychisch oder verbal zu verletzen. Aber Kinder müssen zugleich erfahren, wie man sich am Ende wieder verträgt. Nur sollte man bestimmte Themen nicht vor den Kindern ausbreiten: finanzielle Probleme, materielle Sorgen, uneinige Erziehungsauffassungen oder partnerschaftliche Konflikte (z.B. emotionale oder sexuelle Differenzen).

Hinter dem Streit stehen nicht selten elterliche Meinungsverschiedenheiten über Erziehung. Kinder können diese aushalten, wenn ihnen die Positionen klar sind und sie versöhnliche Konfliktlösungen erleben. Ist man mit der Erziehungshaltung des Partners oder der Partnerin nicht einverstanden, kann man das in einer ruhigen Minute im Nachhinein diskutieren. Auseinandersetzungen in der konkreten Situation führen meist nur zu Schuldzuweisungen oder ergebnislosen Rechtfertigungen.

Unterschiedliche Erziehungsstile können auf der Grundlage von gemeinsamen verbindlichen Grundprinzipien in der Erziehung (Partnerschaftlichkeit, klare Grenzen, Festigkeit, Achtung, angenehmes Verhältnis von Nähe und Distanz) umgesetzt werden.

Während das Nebeneinander von unterschiedlichen Erziehungsstilen durchaus produktiv sein kann, deutet elterliche Uneinigkeit der Kindererziehung nicht selten auf ernsthafte partnerschaftliche Probleme hin. Eine derartige Uneinigkeit ist meist schon früh spürbar, wird aber häufig unter der Decke gehalten. So wird das Problem nicht sichtbar, gleichwohl spürt man es atmosphärisch, kommt es häufig zum unerquicklichen Streit, unter dem alle Beteiligten mehr oder minder leiden.

 

Streit über Erziehungsstile

Noch ein paar Anmerkungen zur unterschiedlichen Auffassung von Eltern. Sie haben nichts damit zu tun, dass die einen besser, die anderen schlechter erziehen. Die Verschiedenheit hat vielmehr mit Nähe und Distanz zu den Kindern zu tun. Je näher man einem Kind ist, je mehr man mit den Kindern Normalität durchlebt, umso häufiger erfährt man Erziehung als Stress. Distanz führt manchmal zu mehr Gelassenheit und Großzügigkeit. Und hier liegt die Chance väterlicher Beziehung zu den Kindern, sind sie es doch, die aufgrund des (noch immer meist den Männern vorbehaltenen) Vollzeitjobs die eher distanzierte Beziehung zu Kindern aufweisen. Distanz meint aber nicht die Abwesenheit von Emotionalität, und unterschiedliche Erziehungsstile sind nicht zu verwechseln mit uneinigen Erziehungsstilen. Im uneinigen Erziehungsstil geht es niemals um das Wohl des Kindes. Unterschiedliche Erziehungsstile müssen dagegen keine Konflikte auf der partnerschaftlichen Ebene mit sich bringen, wenn man zwei Grundsätze bedenkt:

  • Zu überlegen ist zunächst, wer die Hauptlast der Entscheidung trägt. Hat die Mutter am Morgen die Folgen daraus zu tragen, dass die Kinder von Vater zu spät ins Bett gebracht wurden, sollte dieser sich in seiner Großzügigkeit zurücknehmen.
  • Ein weiteres Entscheidungskriterium kann sich aus der größeren Sachkenntnis – aber nicht: Besserwisserei oder bloßer Besorgnis – eines Elternteils ergeben. Wenn eine Mutter aus Erfahrung weiß, dass das eine Kind weniger Schlaf braucht, das andere aber mehr, dann bildet dies die Grundlage für die Entscheidung genauso wie jener Vater, der aufgrund seiner Beobachtung weiß, wie wichtig die körperliche Bewegung für das Kind ist.

Unterschiedliche Erziehungsstile haben manchmal einen ganz naheliegenden Grund. Viele Väter halten sich sehr lange aus der Kindererziehung heraus, überlassen diese der Mutter. Nur wenn Kinder dann älter werden, in die Pubertät kommen, greifen manche Väter wenig sensibel in die Erziehung ein – nach dem Motto: „Frau, du hast lange genug experimentiert, nun lass mich mal machen!“ Ich nenne das Last-Minute-Erziehung, in der Väter versuchen, den Kindern den letzten „Schliff“ zu geben, und dabei übersehen, wie sehr sie in Konkurrenz zur Partnerin gehen. Es entsteht ein Gezerre am und um das Kind – mit der Folge, dass der Haussegen schief hängt und sich dann erhebliche Partnerschaftskonflikte aufbauen. Deshalb ist es wenig sinnvoll, sich als Mutter aus dem „Hahnenkampf“ herauszuhalten. Meine Idee: Entweder bindet die Frau ihren Mann dort ein, wo er sich nicht wie ein Oberlehrer aufspielen muss! Oder man redet mit einem Erziehungsberater einmal darüber, wie Mann und Frau sich die Erziehungspartnerschaft vorstellen können. Und noch ein weiterer Gedanke ist wichtig: Wenn Kinder in die Pubertät kommen, dann ist es vordringlich, dass aus der Elternschaft, dass aus Vater und Mutter wieder Partner, das heißt Mann und Frau werden. Das Festhalten an der Vaterrolle ist manchmal auch als Widerstand zu deuten, sich in der Partnerschaft neu einzurichten.

Weiterführende Artikel und Bücher zum Thema Streit in Familien finden hier.

2 Kommentare

  1. Die Eltern meiner Freundin streiten anscheinend ununterbrochen, weshalb ich mir auch Sorgen mache. Meine Freundin meint sogar, dass ihre Mutter ein Anwalt für Familienrecht sucht, um eine Scheidung zu planen. Wie kann ich meiner Freundin helfen?

    • Guten Tag. Erstmal ist das schön, dass deine/Ihre Freundin deine/Ihre Unterstützung hat. Leider ist Familienrecht nicht mein Gebiet. Falls Ihr noch Kinder / Jugendliche seid, so ist das Jugendamt auch eine gute Anlaufstelle für Euch. Für Erwachsene würde ich auch ein Coach empfehlen, der sich mit Trennung / Scheidung auskennt. Auf jeden Fall, darf sich diese Freundin, die bestimmt sehr unter der Situation leidet, Hilfe suchen für sich.

      Falls ihr nicht weiter kommt, dann meldet euch gerne nochmal unter hallo@jan-uwe-rogge.de.
      Ich wünsche alles alles Gute für alle Beteiligten.

      Viele Grüße, Jan-Uwe Rogge

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