Viele Erziehungsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern geraten durch die unklare Sprache der Erwachsenen ins Ungleichgewicht. In diesem Beitrag geht es darum, wie Sie mit Kindern reden, damit das Kind zuhört. „Ich rede und rede“, erzählt mir Gisela Schwarz, „rede mir den Mund fusselig, bemühe mich, freundlich zu sein, aber keiner hört zu und es passiert einfach gar nichts. Erst wenn ich die böse Hexe spiele, dann hören sie zu!“ Als sie dies entrüstet erzählt, nicken die anderen anwesenden Eltern zustimmend.

Reden und zuhören„Immer die gleiche Leier! Muss ich es dir noch zwei mal sagen!“

Erwachsene verhalten sich gegenüber Kindern oft unklar. Sie ärgern sich zum Beispiel über die Bummelei, die Unordnung, zeigen mit ihrer Gestik und Mimik jedoch durchaus eine freundliche Stimmung an. Das Kind hört zwar Fragen wie: „Würdest du bitte aufräumen?“, „Könntest du dich vielleicht beeilen?“ Doch Fragen setzen keine Grenzen. Das Kind entdeckt in der Mimik und Gestik des Erwachsenen Zeichen von Anspannung – schmale Lippen, schmale Augen, Stirnrunzeln –, die fragende Stimme klingt hingegen noch ausgeglichen.

Kinder können mit solch unklaren Botschaften nicht umgehen. Deshalb erzwingen sie durch ihr Handeln einen in sich stimmigen Erwachsenen; soll heißen: Sie akzeptieren erst Grenzen, wenn diese klar artikuliert werden. Sie nehmen den Erwachsenen dann ernst, wenn dieser in Gestik, Stimme und Sinn der Worte übereinstimmt. Mit den Worten des neunjährigen Claudius ausgedrückt: „Wenn ich nicht weiß, was genau läuft, dann mache ich meinen Scheiß weiter. Weil, meine Eltern sind ja immer noch so freundlich. Obgleich ich merk, gleich ist’s so weit. Gleich explodieren sie. Und dann platzen sie auch. Gut, denke ich, hab ich doch nicht falsch gelegen. Hatte ich doch Recht. Ich weiß nicht, aber meine Eltern machen es sich so schwer. Warum sagen sie denn nicht eher ‚Nein!‘?“

Reden und Zuhören sind nicht nur Worte

Claudius formuliert intuitiv, was die Kommunikationspsychologie durch zahlreiche Untersuchungen belegt hat: 55 Prozent der Kommunikation läuft über Körpersprache, über Mimik und Gestik, 38 Prozent läuft über den Stimmklang und die Art des Sprechens. Lediglich sieben Prozent vermittelt sich den Kindern über den Inhalt, den Sinn der Worte. Missverständnisse in der Eltern-Kind-Kommunikation haben ihre Ursache in der Unklarheit, mit der viele Erwachsene Absichten und Grenzen formulieren.

Eltern überschätzen nicht allein die Wirksamkeit ihrer Worte und Anweisungen. Sie unterschätzen zugleich, wie wichtig es ist, sich dem Kind zuzuwenden, Kontakt zu ihm aufzunehmen, wenn sie ihm etwas mitteilen wollen. Kinder – und Erwachsene natürlich auch! – wünschen, angesprochen zu werden, sie wollen sich angesprochen fühlen.

Wenn Erwachsene reden, dann achten sie auf das Gesprochene, den Inhalt, versuchen, mit Argumenten zu überzeugen, und dort, wo sie bei Kindern nicht weiterkommen, manchmal mit Verboten oder Bestechungen nachzuhelfen.

Kinder kommunizieren dagegen ganzheitlicher. Dies gilt es zu bedenken, wenn man mit ihnen und zu ihnen redet.

Wie Kinder reden und zuhören

Zunächst erfolgt die Kontaktaufnahme über die Augen – möglichst auf gleicher Höhe. Dann die Kontaktaufnahme über die körperliche Berührung, um den eigenen Worten Nachdruck zu verleihen. Wohlgemerkt: Wenn man wütend und zornig ist, darf man niemals ein Kind anfassen! Dann wird aus der gut gemeinten Berührung schnell körperliche Gewalt, die wehtut. Und schließlich: die eindeutige Sprache.

Aus der Sicht der Kinder kommt ein wichtiges Element hinzu: Mimik und Gestik müssen mit dem Klang der Stimme, der Klang der Stimme muss mit dem Inhalt übereinstimmen. Ein „Nein!“, bei dem gelächelt wird, nehmen Kinder genauso wenig ernst wie ein gleichgültig dahin gesagtes „Lass das, bitte!“. Kinder brauchen authentische Botschaften, müssen wissen, woran sie sind. Bekommen sie keine Klarheit, dann sorgen sie mit ihren Mitteln für Deutlichkeit.

Nicht nur wenn Kinder, sondern auch Erwachsene pauschale Vorwürfe hören, können sie schlecht damit umgehen. Sätze wie „Du räumst nie auf!“, „Du bummelst nur!“, „Du kommst immer zu spät!“, „Du bist immer so frech!“ entmutigen Kinder nicht nur, sie bringen Erwachsene auch dazu, Kinder nur noch unter bestimmten negativen Gesichtspunkten zu betrachten. Kinder entwickeln umgekehrt Minderwertigkeitsgefühle, Wünsche nach Rache und Vergeltung. Sie treten mit den anklagenden Eltern in einen Machtkampf ein, machen das familiäre und häusliche Zusammenleben zur Hölle.

Verallgemeinerungen in der Kommunikation

Vorwürfe, die mit „nie“, „immer“, „nur“ daherkommen, sind unzulässige Verallgemeinerungen, sie enthalten nicht selten direkte oder indirekte Beschuldigungen, sind Ausdruck dafür, dass Kindern bestimmte Verhaltensweisen zugeschrieben werden.

„Das ist unmöglich, dass du ständig unpünktlich bist“, schimpft Robert Holz seinen Sohn an. Hannes verspätet sich tatsächlich häufiger.

„Hab’s vergessen“, versucht er zu beschwichtigen.

„Du vergisst alles. Das ist zum Mäusemelken mit dir.“

„Du bist nur schlecht gelaunt“, kontert Hannes.

„Bis eben hatte ich noch gute Laune.“

„Dein Gesicht sah schon beleidigt aus, als du mich gesehen hast.“

„Jetzt hör aber auf!“, erwidert der Vater scharf.

„Was kann ich dafür, dass du so eine blöde Kindheit hattest.“

Mit diesen Worten verlässt Hannes den Raum.

Nicht der Sachkonflikt stand im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung, sondern eine „Beziehungskiste“. Mit der Formulierung „Das ist unmöglich!“ thematisiert der Vater nicht den Sachaspekt, greift vielmehr seinen Sohn direkt an. Dieser wiederum empfindet den Satz „Das ist unmöglich!“ als „Du bist unmöglich!“ oder „Weil ich zu spät komme, bin ich unmöglich.“ Aus einem Konflikt, der zu klären ist, erwächst ein sprachlicher Clinch, werden Vorwürfe, die den anderen treffen und die in beleidigter Wortlosigkeit enden.

„Aber wie kann ich das lösen? Wie komme ich da raus, dass es ständig diese Formen annimmt?“ Hannes‘ Vater ist verzweifelt.

Reden mit Ich-Botschaften

Die Zauberformel lautet: Ich-Botschaften zu formulieren, zu lernen, sich darin auszudrücken. Ich-Botschaften benennen den Sachverhalt, geben Auskünfte über Gefühle und sprechen – falls erforderlich und notwendig – die Konsequenzen an, die sich aus nicht eingehaltenen Absprachen ergeben können, zum Beispiel: „Ich finde es nicht in Ordnung, wenn du länger als abgesprochen wegbleibst. Ich mache mir wirklich Sorgen.“ Sind vorher Absprachen getroffen worden, dann könnte so fortgesetzt werden: „Wir hatten abgesprochen, dass du anrufst, wenn was dazwischengekommen ist. Und ich hatte gesagt, wenn du das nicht machst, dass du dann morgen deinen Freund nicht besuchen kannst. Du warst einverstanden.“

Ich-Botschaften legen Wert auf vier wichtige, miteinander zusammenhängende Aspekte:

  • Der Vater artikuliert seine Position. Er beschreibt die Situation, wie er sich sieht, spricht seine Gefühle an;
  • er beschuldigt seinen Sohn weder direkt noch indirekt, trennt somit die Sache von der Beziehungsebene;
  • Gestik, Mimik, Stimme und sinn der Worte stimmen überein;
  • und, wichtig: Sind in einem vorherigen Gespräch bereits Konsequenzen thematisiert worden, so sind diese nun umzusetzen.

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