
Wer mit Kindern lebt, erlebt sich selbst. Elternschaft ist keine Wunschveranstaltung. Sie ist eine Begegnung – mit dem Kind, vor allem aber mit sich selbst.
Vor einiger Zeit war ich zu einem Gespräch mit Leon Heimann eingeladen, um genau darüber zu sprechen: warum Eltern sich oft wünschen, dass ihre Kinder anders sind – und warum sie genau in dieser Familie goldrichtig sind, so wie sie sind.
Eltern bekommen nicht das Kind, das sie sich wünschen. Nicht das, das ihre Vorstellungen erfüllt, das brav, ordentlich, zielstrebig oder leistungsbereit ist.
Sie bekommen meist das Kind, das sie herausfordert, das sie spiegelt, das ihnen zeigt, wo sie festhalten – und wo sie loslassen dürfen. Und natürlich gibt es Kinder, deren Besonderheit das Leben ihrer Eltern tief verändert. Kinder mit Beeinträchtigungen, Handicaps, unheilbaren Krankheiten oder Verletzlichkeiten, die den Alltag auf eine andere Weise fordern. Auch sie lehren uns, das Leben nicht zu bewerten, sondern anzunehmen – mit allem, was es schenkt und was es schwer macht.
Kinder sind keine Projekte
Wir leben in einer Zeit, in der fast alles planbar scheint – vom Berufsweg bis zur Freizeit. Nur Kinder passen nicht in diese Logik. Sie folgen ihrem eigenen Takt, ihrer eigenen Ordnung.
Viele Eltern möchten es „richtig“ machen, nichts dem Zufall überlassen. Doch Kinder entziehen sich dieser Machbarkeit. Sie sind keine Projekte, die man planen, strukturieren oder optimieren kann.
John Lennon hat es einmal so gesagt: „Während du Pläne machst, passiert das Leben.“
Kinder zeigen uns das jeden Tag. Sie sprengen Pläne, bremsen unser Tempo, trotzen unseren Erwartungen.
Sie lehren uns, geduldig zu werden, uns selbst zu hinterfragen – und manchmal einfach nur da zu sein.
Kinder als Spiegel
Kinder sind keine Abbilder unserer Wünsche, sondern Spiegel unserer Themen.
Wer alles perfekt machen will, bekommt vielleicht ein Kind, das trödelt, träumt, verweilt – eine kleine Schnecke. Sie zwingt zur Entschleunigung, sie lehrt Geduld, Achtsamkeit und Langsamkeit.
Wer alles laufen lässt, bekommt vielleicht ein Kind, das Halt sucht, Grenzen einfordert, Orientierung braucht.
Jedes Kind zeigt uns etwas – nicht, was wir falsch machen, sondern was in uns nach Entwicklung ruft.
Erziehung ist keine Technik. Sie ist Beziehung.
Und Beziehung lebt von Gegenseitigkeit: Kinder verändern Eltern genauso, wie Eltern Kinder prägen.
Vertrauen statt Kontrolle
Ich habe als junger Mann auf See gelernt: Einen Sturm kann man nicht verhindern. Aber man kann lernen, ihm zu begegnen.
So ist es auch mit Kindern. Man kann sie nicht nach eigenem Wind ausrichten, man kann nur mit ihnen segeln – und lernen, im richtigen Moment die Segel zu setzen oder einzuholen.
Erziehung bedeutet, Vertrauen zu haben – in das Kind, in sich selbst und in das Leben.
Vertrauen lässt wachsen. Kontrolle hält fest. Und wer zu sehr festhält, riskiert, dass die Wurzeln Schaden nehmen.
Das Kind, das dich wachsen lässt
Wenn wir ehrlich sind, sind es die Kinder, die uns am meisten fordern – und die uns zugleich am meisten wachsen lassen. Sie machen uns demütig, im besten Sinne.
Denn in ihrer Nähe haben wir keinen Platz für Masken. Kinder spüren, wenn wir uns verstellen, wenn wir etwas vortäuschen. Sie halten uns einen Spiegel hin – manchmal liebevoll, manchmal gnadenlos. Und genau darin liegt ihr größtes Geschenk: Sie holen uns ins Hier und Jetzt zurück.
Demut bedeutet nicht, sich klein zu machen, sondern anzuerkennen: Ich bin nicht perfekt, und das ist in Ordnung. Es bedeutet, das Leben nicht als etwas zu sehen, das man kontrolliert, sondern als etwas, das man gestaltet – gemeinsam mit den Kindern.
Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen Menschen, die sich trauen, echt zu sein, die Fehler zugeben können, die um Entschuldigung bitten, wenn sie laut geworden sind. Sie brauchen Erwachsene, die mit sich selbst in Kontakt bleiben. Denn wer zu sich steht, kann auch seinem Kind Halt geben.
Ein Geschenk mit Aufgabe
Kinder sind Geschenke. Nicht, weil sie uns gehören, sondern weil sie uns lehren, was Liebe bedeutet.
Sie sind Gäste, die nach dem Weg fragen – eine Weile bleiben, dann weiterziehen.
Wenn sie gehen, hinterlassen sie Spuren. Spuren, die uns zeigen, was wirklich zählt:
Liebe statt Leistung. Vertrauen statt Kontrolle. Begleiten statt erziehen.
Denn das Kind, das du bekommst, ist genau das Kind, das du brauchst – um selbst Mensch zu werden.
(Das vollständige Interview mit Leon Heimann finden Sie hier im eingebetteten Video.)
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