Die wichtigste Entwicklungsaufgabe, die sich Pubertierenden stellt und die sie zwischen dem zehnten und fünfzehnten Lebensjahr zu bewältigen haben, ist die Umgestaltung des kindlichen in einen erwachsenen Körper. Das ist eine Aufgabe, die herausfordert, manchmal sogar überfordert. Eine Aufgabe, gegen die eine Klassenarbeit in Mathe oder Physik eine Kleinigkeit darstellt. Die Pubertierenden sind in dieser Phase weder Fisch noch Fleisch, sie hängen – und dies kann man wörtlich nehmen – irgendwie herum. Denn da entsteht ja nicht von jetzt auf gleich ein Adonis, bildet sich eine Venus aus. Da sind ja – um es salopp auszudrücken – „Mutationen“ angesagt.

Die Heranwachsenden fühlen sich entsprechend. Oder wie es einmal einer drastisch ausgedrückt hat: „mies und beschissen“. Der Körper hat in dieser Zeit keine Proportionen – mal sind die Füße zu groß, die langen Arme passen nicht zum zu kurz geratenen Körper oder die Pickel lassen das Gesicht unansehnlich werden. Man steht stundenlang vor dem Spiegel, beäugt sich kritisch, und manch eine(r) würde sich am liebsten im eigenen Kinde verschließen.

Der Rat von Eltern, das würde sich schon alles verwachsen und aus dem hässlichen Entlein werde schon noch ein schöner Schwan, lässt Pubertierenden in solch einer Situation allein. Was Kindern in dieser Phase hilft, ist nicht langes Drum-Herum-Gerede. Sie brauchen das unmittelbare Gefiihl, angenommen zu sein. Mein Rat: Kinder in den Arm nehmen, sie fest an sich drücken, ihnen damit Trost zu spenden. Das hilft im Moment! Und auf Dauer lernen die Heranwachsenden, sich und ihr Aussehen zu akzeptieren. Doch wohlgemerkt: Das geht nicht von heute auf morgen. Da ist Geduld gefordert – auf beiden Seiten.

Ein weiteres Reizthema in der Pubertät ist das „ganz normale“ Chaos im Kinderzimmer, das meist Müttern Schweißperlen und Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Sie trauen sich kaum in dieses Höhlendunkel, stickig, gegen frische Luft von außen abgedichtet, ungelüftet. In der Höhle herrscht eine Unordnung, die der Pädagoge Pestalozzi vor über 200 Jahren „StreuOrdnung“ genannt hat. Ob er nun wirklich von ihm stammt, mag egal sein. Aber umschreibt sehr anschaulich eines: die Höhle, in die sich Heranwachsende zurückziehen, in der sie vor sich hindämmern und abdünsten, diese Höhle ist kein Phänomen der Gegenwart.

Natürlich: Gegenwärtig haben viele Pubertierende ein eigenes Zimmer. Hier inszenieren sie ihre ganz eigene Streuordnung: da liegt die getragene Unterhose neben einem verschwitzten T-Shirt, da die Markenjeans neben stinkenden Socken, irgendwo dazwischen das Handy oder die Sachen für die Schule. Was Mütter die Haare zu Berge stehen lässt, manche Väter eher mit einer gewissen Gleichgültigkeit betrachten, weil sie vielleicht selber eine gewisse Streuordnung an den Tag legen, lässt viele Heranwachsende in sich ruhen. Sie finden sich in der größten Unordnung zurecht. Schimpfkanonaden elterlicherseits nehmen sie nahezu gelangweilt, meist achselzuckend zur Kenntnis. Zerstreuung ist ein Begriff, der die emotionale und psychische Situation von Pubertierenden treffend umreißt: nicht bei der Sache sein, sich Stimmungen hingeben. Alles fließt, alles verschwimmt, kein Halt nirgendwo. Und so spiegelt die Streuordnung, die sich im Kinderzimmer breitmacht, die Gefühlslage der Heranwachsenden wider.

„Aber wie lange muss man das aushalten?“, höre ich Eltern jetzt stöhnen. Keine Panik, das ändert sich spätestens dann, wenn der Sohn eine Freundin (oder umgekehrt) mit nach Hause ins Zimmer bringt. Aber dann bauen sich andere Probleme auf.