„Die Schule ist blöd“, erklärt der sechsjährige Lukas, „ich muss jetzt Hausaufgaben machen und
kann nicht mehr so viel spielen. Immer muss ich etwas lernen. Und Mama macht mit mir die
Hausaufgaben. Das ist verdammt doof. Wir streiten uns dann schnell.“
Mit der Schule fängt ein neuer Lebensabschnitt an.
Kinder reagieren auf diese Veränderungen höchst unterschiedlich: Während die einen mutig,
manchmal übermütig den Weg in die Schule beschreiten, nimmt der Abschied vom gewohnten
Alltag die anderen gefühlsmäßig mit. Sie trauern, sinken zurück auf frühe Entwicklungsstufen. Damit deutet das Kind den Eltern – wenn auch unbewusst an, dass es als Kind, nicht als kleiner Erwachsener angesprochen werden möchte,
dass es, um den Auszug in andere Gefilde zu schaffen, nach wie vor Bindung und Geborgenheit braucht.
Der Schuleintritt bringt Bewegung in den Alltag, in das Leben des Kindes.
Und jedes Kind entwickelt auch hier sein individuelles Tempo, einen Eigensinn, mit dem es sich
den neuen Herausforderungen stellt. Kinder sind neugierig, sie wollen lernen, sich Neuem stellen.
Aber viele müssen sich an die schulischen Strukturen erst noch gewöhnen und empfinden
die 45-Minuten-Einheiten als Druck, das Stillsitzen als Einschränkung.
Die Einschulung wirkt sich auf die Eltern-Kind-Beziehungen aus.
Mit der Schule erweitert sich nicht nur der Wissenshorizont der Kinder, auch der Erfahrungshorizont wandelt sich. Der Lehrer und die Lehrerin bringen Dynamik in die Erwachsenen- Kind-Beziehungen und wirken sich zweifelsohne auf die häusliche Erziehung aus: Manches Kind, das zu Hause mit einem Laisser-faire-Stil konfrontiert war, lernt nun den Zusammenhang von Grenze und Konsequenz kennen. Und schließlich empfinden Schulkinder den neuen Ort, an dem sie von nun an viel Zeit verbringen, als ihren Bereich, ihr Segment, in dem sie ganz eigene Erfahrungen machen. Deshalb erzählen manche Kinder den Eltern nicht sofort etwas aus der Schule, wenn sie nach Hause kommen. Die einen sind todmüde, die anderen brauchen Zeit, um sich umzustellen. Kinder finden es wichtig, wenn man sich für sie interessiert, aber es gibt viele andere Bereiche im Leben eines Schulkindes, über die man reden kann, um auszudrücken, wie gern man am Alltag der Kinder teilhaben möchte.
„Ich mag die Schule“, erläutert der neunjährige Marco. „Aber ich muss, wenn ich nach Hause komme, immer von der Schule erzählen. Meine Mama fragt und fragt, die fragt mir Löcher in den Bauch. Ich gehe dann am liebsten vor den Fernseher. Weil der nicht fragt!“ Marco lacht, wird dann aber wieder ernst: „Früher hat Papa mit mir gespielt, aber jetzt will er immer sehen, wie ich die Hausaufgaben gemacht habe. Das ist nicht mehr so gemütlich wie früher.“